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REL05AN - DIE FRAGE NACH GOTT (TEIL 1)

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1. Aufgabe:
a) Lesen Sie den unten stehenden Text der evangelischen Theologin Gunda Schneider-Flume (*1941) und geben Sie ihre Aussagen zur Erkennbarkeit und zum Wesen Gottes in Thesen wieder. (AFB I)
b) Erklären Sie kurz das Paradox, mit welchem sich die Autorin befasst und setzen Sie dieses in Beziehung zum menschlichen Wunsch, Gott beschreiben oder darstellen zu wollen. (AFB II)
Dass die biblische Tradition trinitarisch von Gott redet und Gott in Jesus
Christus, in seinem Leben und in Tod und Auferstehung erkennbar ist
durch den Geist, ist die Grundlage der kirchlichen Trinitätslehre. Es gibt
dogmatische Entwürfe, die das zum Anlass nehmen, die Trinitätslehre an
den Anfang oder zumindest an den Anfang der Gotteslehre zu stellen. Das
Problem der Erkenntnis Gottes, der Erkennbarkeit und des Erkenntniswe-
ges ist damit beantwortet in dem Sinne: Wer Gott ist, das kann nur in Jesus
Christus erkannt werden, und es bewahrheitet sich nur durch Gottes Geist
selbst. Theologisch ist das zwingend, weil der christliche Glaube nicht von
einem Gott redet, sondern von einem ganz bestimmten, und erkenntnisthe-
oretisch ist dieses Vorgehen einleuchtend, weil bereits der Erkenntnisweg
darüber entscheidet, wie und als was das Wesen Gottes erkannt wird. […]
Der tiefgreifende Unterschied eines mythologischen Weltbildes zu unserem
Weltbild heute darf nicht verkannt werden. Über diesem Unterschied ist
aber nicht zu vergessen, was uns durchaus mit der Zeit der biblischen
Schriften Alten und Neuen Testaments verbindet: dass nämlich Gott da
mals wie heute, in allen biblischen Schriften ebenso wie in theologischen
Äußerungen eine strittige Wirklichkeit ist. Gott ist nicht selbstverständlich.
Selbstverständlich sind menschliche Wünsche und Bedürfnisse, Gott ist
nirgends in der Bibel als Selbstverständlichkeit erkennbar oder als erkenn-
bare Selbstverständlichkeit behauptet, und er ist nirgends bewiesen. In die-
sem grundlegenden Punkt der Strittigkeit Gottes, darin also, dass alles in
der Welt gegen Gott sprechen kann, besteht Übereinstimmung zwischen
der Zeit der biblischen Schriften und dem 21. Jh. Immerhin ist zu bedenken,
dass Jesus von Nazareth in einer Zeit, die Götter kannte, um der Strittigkeit
Gottes willen gekreuzigt worden ist. Dass am Kreuz Jesu von Nazareth ein
Gott selbst den Tod leidet, das war auch vor zweitausend Jahren alles ande-
re als evident. Es war anstößig und skandalös. Wie konnte man das erken-
nen? War es zu beweisen?
Gott ist nicht evident. Wie aber wird er dann erkannt? Gott bewahrheitet
sich, indem sich die von ihm erzählten Geschichten als befreiende Lebens
geschichten – im Glauben – erweisen. Die Geschichten haben jedem philo-
sophischen Gottesbegriff voraus, dass sie die gesamte Lebenswirklichkeit
und den Beziehungsreichtum des Lebens in der Geschichte mit Gott zur
Sprache bringen. […] In den Geschichten der biblischen Tradition kommt
Gottes Geschichte als Horizont menschlichen Lebens und zugleich die exis-
tentielle Begründung von Menschen in Gottes Geschichte zur Sprache.
Wenn der Glaube bekennt, dass Gott Leben und Lebensfreude gewährt,
dann steht für ihn der Name Gottes für das dankbare Genießen des Lebens
und gegen den selbstverständlichen und gleichgültigen Verbrauch von Le-
ben. Gott ist kein Begriff für Erklärung, sondern der Name für eine Vertrau-
en stiftende Lebensgeschichte, denn er wird erzählt als der, der mit ist im
Leben und Grund für Leben. Menschen erfahren, dass ihr Leben nicht allein
ihre Leistung ist und sein muss, sondern dass Leben zuvor geschenkt ist und
bewahrt wird und dass auch da, wo kein Sinn mehr erkennbar ist und keine
Hoffnung sich auftut, Gott sich ermutigend und tröstend zusagt in der ver-
meintlichen Aussichtslosigkeit. Nicht die Annahme eines höchsten Wesens
weit oberhalb und außerhalb der Welt, sondern die Erfahrung Gottes am
tiefsten Punkt menschlicher Existenz, am Kreuz und all Morgen neu mitten
im Leben ist konkrete Gotteserkenntnis.
[Schneider-Flume. G. (2008). Grundkurs Dogmatik. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, S. 121-123.]

2. Aufgabe:
Thomas von Aquin hat mit seinem umfassenden Werk von Gott geredet. Stellen Sie zwei der Ihnen bekannten „Gottesbeweise“, die er in Anlehnung an Aristoteles formulierte, dar. (AFB II)
3. Aufgabe:
Thomas von Aquin selbst hat am Ende seines Lebens aus der Erkenntnis der Unerkennbarkeit Gottes geschwiegen. Erklären Sie kurz das Phänomen der Mystik und deren Affinität zum Schweigen. (AFB II)
4. Aufgabe:
Nennen Sie eine Bibelstelle aus dem Alten Testament, die besonders die Nichterkennbarkeit Gottes und seiner Ratschlüsse verdeutlicht. Erörtern Sie, inwiefern diese Erzählung auch heute noch eine Hilfe zu einem angemessenen Gottesverständnis im Sinn einer befreienden Lebensgeschichte sein kann, wie es Gerda Schneider-Flume im Text beschreibt. (AFB III)
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Weitere Information: 21.11.2024 - 06:50:29
  Kategorie: Abitur und Hochschule
Eingestellt am: 19.10.2022 von Sabsy
Letzte Aktualisierung: 19.10.2022
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