1. Arbeiten Sie bitte mit eigenen Worten den Gedankengang Schopenhauers heraus.
Prüfen Sie, ob der Text Bezüge zur buddhistischen Lehre enthält, und weisen Sie
diese gegebenenfalls nach.
Erläuterung:
Der deutsche Philosoph A. Schopenhauer lebte und wirkte in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts und ist in seinem philosophischen Denken vom Buddhismus
beeinflusst worden.
Mit der Wendung im Text „das Ansich seiner eigenen Erscheinung“ (Z. 8 f.) ist
hier gemeint: „das Wesen seiner Existenz“.
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Als eine seltsame Ausnahme kommt ein Mensch vor, der weniger als sonst
geschieht, einen Unterschied macht zwischen sich und anderen; sondern das
Leiden, welches er an anderen sieht, geht ihn fast so nahe an wie sein
eigenes: Er sucht daher das Gleichgewicht zwischen beiden herzustellen, versagt
sich Genüsse, übernimmt Entbehrungen, um fremde Leiden zu mildern.
Er wird inne, dass der Unterschied zwischen ihm und anderen, welcher dem
Bösen eine so große Kluft ist, nur einer vergänglichen täuschenden Erscheinung
angehört: Er erkennt unmittelbar und ohne Schlüsse, dass das Ansich
seiner eigenen Erscheinung auch das der fremden ist, nämlich jener Wille
zum Leben, welcher das Wesen jeglichen Dinges ausmacht und in allem lebt;
ja, dieses sich sogar auf die Tiere und die ganze Natur erstreckt: daher wird
er auch kein Tier quälen.
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Er ist jetzt so wenig imstande, andere darben zu lassen, während er selbst
Überflüssiges und Entbehrliches hat, wie irgend jemand einen Tag Hunger
leiden wird, um am folgenden mehr zu haben, als er genießen kann. (...)
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Das Gegenteil der Gewissenspein ... ist das gute Gewissen, die Befriedigung,
welche wir nach jeder uneigennützigen Tat verspüren. Sie entspringt daraus,
dass solche Tat uns die Beglaubigung der Erkenntnis gibt, dass unser wahres
Selbst nicht bloß in der eigenen Person, dieser einzelnen Erscheinung, da ist,
sondern in allem, was lebt. Dadurch fühlt sich das Herz erweitert, wie durch
den Egoismus zusammengezogen. Denn wie dieser unsern Anteil konzentriert
auf die einzelne Erscheinung des eigenen Individuums ..., so verbreitet die Erkenntnis,
dass alles Lebende ebensowohl unser eigenes Wesen an sich ist wie
die eigene Person, unsern Anteil auf alles Lebende: Hierdurch wird das Herz
erweitert. Durch den also verminderten Anteil am eigenen Selbst wird die
ängstliche Sorge für dasselbe in ihrer Wurzel angegriffen und beschränkt:
daher die ruhige, zuversichtliche Heiterkeit, welche tugendhafte Gesinnung
und gutes Gewissen gibt. (...) Der Egoist fühlt sich von fremden und feindlichen
Erscheinungen umgeben, und alle seine Hoffnung ruht auf dem eigenen
Wohl. Der Gute lebt in einer Welt befreundeter Erscheinungen: Das Wohl
einer jeden derselben ist sein eigenes.
(Quelle: A. Schopenhauer, in: Vom Leid zum Mitleid – A. Schopenhauer, Mensch und
Werk, Bertelsmann, Gütersloh 1958, S. 431 f.)
© Fe©rn Fseturndsicehnuzelennt rHuamm Hbaumrgburg
2. Arbeiten Sie bitte mit eigenen Worten die Aussagen Aung Suu Kyis heraus.
Überlegen Sie bitte kritisch, ob der Buddhismus eine „Religion für unsere
Zeit“ ist bzw. sein könnte und beziehen Sie sich hierbei auf den Text und
eigene Überlegungen.
Erläuterung:
Aung Suu Kyi erhielt für ihr Engagement für die Menschenrechte in Burma
1991 den Friedensnobelpreis.
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Sun Kyi: Die wenigsten Menschen stellen sich der Tatsache, dass sie
eines Tages sterben werden. Wenn Sie über Ihren eigenen Tod nachdenken,
so bedeutet das unter anderem, dass Sie akzeptieren, wie
unwichtig Sie sind. Es ist eine Möglichkeit, von der Gegenwart zurückzutreten,
Abstand zu nehmen von den Angelegenheiten der Welt, in die
Sie unmittelbar verwickelt sind, eine Möglichkeit, sich bewusst zu
machen, wie unbedeutend Sie im Gesamtplan der Dinge sind – innerhalb
dieses Wirbels des samsara. Und dennoch sind Sie wichtig an
Ihrem Platz, auch wenn Sie keine große Bedeutung haben. Jeder ist
wichtig. Entscheidend ist eine angemessene Auffassung von Ihrem Platz
in der Welt. Es geht darum, dass Sie sich genügend selber achten, um
zu verstehen, dass auch Sie eine Rolle zu spielen haben und dass sie
zugleich die Bescheidenheit haben zu akzeptieren, dass Ihre Rolle nicht
so wichtig ist, wie Sie oder manche Menschen vielleicht glauben
möchten.
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Clements: Bekanntlich war die erste Edle Wahrheit der Erleuchtung
Buddhas die Wahrheit des dukkha – die Wahrheit vom Leiden. Eine
Wahrheit, die in der Einsicht gründete, dass alle Dinge der anicca
unterlagen, vergänglich waren; alles ist in beständiger Bewegung und
deshalb unzulänglich. Letztlich heißt das, es kann kein dauerhaftes
Glück in einer Welt geben, die selbst nicht von Dauer ist. Kommt es vor,
dass Sie gelegentlich von Ihrem eigenen „irdischen Jammertal“ Abstand
nehmen – von Ihrem persönlichen Kampf um spirituelle Freiheit und
Ihrem gesellschaftlich-politischen Kampf um die Freiheit Ihres Volkes?
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Suu Kyi: Nein. Da wir nun einmal in dieser Welt leben, haben wir
die Verpflichtung, der Welt unser Bestes zu geben. Der Buddhismus
akzeptiert diese Tatsache. Und ich halte mich nicht für spirituell so weit
fortgeschritten, dass ich über allen irdischen Dingen stände. Deshalb ist
es meine Pflicht, mich mit all meinen Kräften einzusetzen. (...)
Clements: Was bewegt Sie dazu, täglich Meditationsübungen zu
machen?
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Suu Kyi: In der Hauptsache die Befriedigung, die ich aus dem Wissen
beziehe, dass ich etwas tue, was meiner Meinung nach richtig ist –
hier ist es der Versuch, eine größere Bewusstheit zu entwickeln, um
schließlich zu einem wahrhaften Verständnis von anicca zu kommen. Ich
habe eine ganz normale Einstellung zum Leben. Wenn ich sehe, es gibt
etwas, das ich im Namen der Gerechtigkeit oder im Namen der Liebe
tun sollte, dann tue ich es. Die Motivation belohnt sich selbst.
(Quelle:: Aung Suu Kyi, Der Weg zur Freiheit, Gespräche mit A. Clements,
Lübbe, Bergisch Gladbach 1997, S. 89 ff.)
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