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Note 1,0 _ DEA06A - DRAMA (TEIL 2)

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Aufgaben für den Grundkurs
Aufgabenart: Textanalyse und Interpretation
Textbezug: Georg Büchner: Woyzeck (entstanden 1836/1837; posthum veröffentlicht)
1. Aufgabe:
Erarbeiten Sie aus den unten abgedruckten Szenen die Entwicklung des Soldaten Woyzeck im Hinblick auf sein Verhältnis zu Marie. Untersuchen Sie das Verhalten und die Sprache der beiden Dramenfiguren.

2. Aufgabe:
Erläutern Sie anhand der bereits behandelten Szenen, in welcher Hinsicht sich das Drama Woyzeck von den Regeln des klassischen Dramas entfernt.


1 Szene 4 – Mariens Kammer (1)
MARIE (sitzt, ihr Kind auf dem Schoß, ein Stückchen Spiegel in der Hand.) […]


5 MARIE. bespiegelt sich. Was die Steine glänzen! Was sind’s für? Was hat er gesagt? – – Schlaf, Bub! Drück das Auge zu, fest! (Das Kind versteckt die Augen hinter den Händen.) Noch fester! Bleib so – still, oder er holt dich! (Singt:)
Mädel, mach’s Ladel zu
’s kommt e Zigeunerbu,
Führt dich an deiner Hand
Fort ins Zigeunerland.
10 (Spiegelt sich wieder.) ’s ist gewiss Gold! Wie wird mir’s beim Tanzen stehen? Unsereins hat nur ein Eckchen in der Welt und ein Stückchen Spiegel, und doch hab ich ein’ so roten Mund als die großen Madamen mit ihren Spiegeln von oben bis unten und ihren schönen Herrn, die ihnen die Händ küssen. Ich bin nur ein arm Weibsbild! – (Das Kind richtet sich auf.) Still, Bub, die Augen zu!
15 Das Schlafengelchen! Wie’s an der Wand läuft (sie blinkt mit dem Glas) – die Auge zu, oder es sieht dir hinein, dass du blind wirst!
WOYZECK herein, hinter sie. Sie fährt auf, mit den Händen nach den Ohren.
WOYZECK. Was hast du?
MARIE. Nix.
20 WOYZECK. Unter deinen Fingern glänzt’s ja.
MARIE. Ein Ohrringlein; hab’s gefunden.
WOYZECK. Ich hab so noch nix gefunden, zwei auf einmal!
MARIE. Bin ich ein Mensch?

25 WOYZECK. ’s ist gut, Marie. – Was der Bub schläft! Greif ihm unters Ärmchen, der Stuhl drückt ihn. Die hellen Tropfen stehn ihm auf der Stirn; alles Arbeit unter der Sonn, sogar Schweiß im Schlaf. Wir arme Leut! – Da is wieder Geld, Marie; die Löhnung und was von mei’m Hauptmann.
MARIE. Gott vergelt’s, Franz.
WOYZECK. Ich muss fort. Heut abend, Marie! Adies!
30 MARIE (allein, nach einer Pause). Ich bin doch ein schlecht Mensch! Ich könnt mich erstechen. – Ach, was Welt! Geht doch alles zum Teufel, Mann und Weib!





35 Szene 7 – Mariens Kammer (2)
Marie. Woyzeck.
[…]
WOYZECK. (sieht sie starr an und schüttelt den Kopf). Hm! Ich seh nichts, ich seh nichts. Oh, man müsst’s sehen, man müsst’s greifen könne mit Fäusten!
MARIE. (verschüchtert). Was hast du, Franz? – Du bist hirnwütig, Franz.
[…]

40 WOYZECK Eine Sünde, so dick und so breit – es stinkt, dass man die Engelchen zum Himmel hinausräuchern könnt. Du hast ein’ roten Mund, Marie. Keine Blase drauf? Wie, Marie, du bist schön wie die Sünde – kann die Todsünde so schön sein?
MARIE. Franz, du redst im Fieber.
WOYZECK. Teufel! – Hat er da gestanden, so, so?
45 MARIE. Dieweil der Tag lang und die Welt alt is, können viel Menschen an einem Platz stehn, einer nach dem andern.
WOYZECK. Ich hab ihn gesehn!
MARIE. Man kann viel sehn, wenn man zwei Augen hat und man nicht blind ist und die Sonn scheint.
50 WOYZECK. Du bei ihm?
MARIE. (keck) Und wenn auch.
[…]




55 Szene 11 – Wirtshaus
[…]
Woyzeck stellt sich ans Fenster. Marie und der Tambourmajor tanzen vorbei, ohne ihn zu bemerken. […]
MARIE (im Vorbeitanzen). Immer zu, immer zu.


60 WOYZECK (erstickt). Immer zu – immer zu! (Fährt heftig auf und sinkt zurück auf die Bank.) Immer zu, immer zu! (Schlägt die Hände ineinander.) Dreht euch, wälzt euch! Warum bläst Gott nicht die Sonn aus, dass alles in Unzucht sich übereinander wälzt, Mann und Weib, Mensch und Vieh. Tut’s am hellen Tag, tut’s einem auf den Händen wie die Mücken! – Weib! Das Weib is heiß, heiß! – Immer zu, immer zu! (Fährt auf.) Der Kerl, wie er an ihr herumgreift, an ihrem Leib! Er, er hat sie – wie ich zu Anfang! […]


65 Szene 12 – Freies Feld
WOYZECK. Immer zu! Immer zu! Still, Musik! (Reckt sich gegen den Boden.) Ha! Was, was sagt ihr? Lauter! Lauter! Stich, stich die Zickwolfin tot? – Stich, stich ¬
die – Zickwolfin tot. – Soll ich? Muss ich? Hör ich’s da auch, sagt’s der Wind auch? Hör ich’s immer, immer zu: stich tot, tot.


70 Szene 20 – Waldsaum am Teich
Marie und Woyzeck.
MARIE. Also dort hinaus is die Stadt. ’s is finster.
WOYZECK. Du sollst noch bleiben. Komm, setz dich!
MARIE. Aber ich muss fort.
75 WOYZECK. Du wirst dir die Füß nit wund laufe.
MARIE. Wie bist du nur auch!
WOYZECK. Weißt du auch, wie lang es jetzt is, Marie?
MARIE. An Pfingsten zwei Jahr.
WOYZECK. Weißt du auch, wie lang es noch sein wird?
80 MARIE. Ich muss fort, das Nachtessen richten.
WOYZECK. Friert’s dich, Marie? Und doch bist du warm. Was du heiße Lippen hast! Heiß, heißen Hurenatem! Und doch möcht ich den Himmel geben, sie noch einmal zu küssen … Wenn man kalt ist, so friert man nicht mehr. Du wirst vom Morgentau nicht frieren.
85 MARIE. Was sagst du?
WOYZECK. Nix. (Schweigen.)
MARIE. Was der Mond rot aufgeht!
WOYZECK. Wie ein blutig Eisen.

90 MARIE. Was hast du vor? Franz, du bist so blass. (Er holt mit dem Messer aus.) Franz, halt ein! Um des Himmels willen, Hilfe, Hilfe!
WOYZECK. (sticht drauflos). Nimm das und das! Kannst du nicht sterben? So! So! – Ha, sie zuckt noch; noch nicht, noch nicht? Immer noch. (Stößt nochmals zu.) – Bist du tot? Tot! Tot! … (Er lässt das Messer fallen und läuft weg.)
(Georg Büchner: Woyzeck. Leonce und Lena. Reclam Verlag, Stuttgart, 2001)
Vorschau
Weitere Information: 21.11.2024 - 21:37:18
  Kategorie: Abitur und Hochschule
Eingestellt am: 26.10.2022 von Sabsy
Letzte Aktualisierung: 26.10.2022
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