Wählen Sie zwei der unten abgedruckten Einsendeaufgaben aus und schicken Sie Ihre Lösungen zur Korrektur ein.
1. Aufgabe:
Wolfgang Frühwald: Vor uns: Die elektronische Sintflut (Auszug aus einer 1995 gehaltenen Rede)
Aufgaben:
Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam durch und bearbeiten Sie diese Aufgaben:
a) Skizzieren Sie die Intention, die Frühwald mit seiner Rede verfolgt; in Stichworten.
[. . .]
b) Erläutern Sie stichwortartig, was der Text als „Gutenberg-Galaxis“ bezeichnet.
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c) Stellen Sie die im Text genannten Auswirkungen der technischen Medien auf die Kultur zusammen; in Stichworten.
[. . .]
d) Stellen Sie einige Argumente zusammen, die man gegen die These vom Kulturverlust durch Mediengebrauch anführen könnte; in Stichworten.
[. . .]
Ein apokalyptisches Szenario entfaltet sich vor unseren Augen: das der alles überschwemmenden Sintflut mit Namen „elektronische Information“ […]. Die Grundfrage des fortschrittskritischen amerikanischen Erzählers John Updike (geboren 1932) lautet, ob diese Welt sich explosionsartig entfaltender Medientechnik nicht längst dem menschlichen Fassungsvermögen entglitten sei. Wie er fragen auch viele Autoren deutscher Sprache, die die visuellen Techniken, „allen voran das Fernsehen“, für fähig halten, die „Last der Sprache wirklich abzuwerfen und alles, was einst Programm, Bedeutung, ‚Inhalt‘ hieß, zu liquidieren“ (H. M. Enzensberger1).
Was ist geschehen, dass ältere und jüngere Autoren in das Klagelied über die hereinbrechende elektronische Sintflut einstimmen, dass selbst der im Alter durchaus wissenschaftsfreundliche Autor Friedrich Dürrenmatt das Schicksal der Dinosaurier auf die Menschheit zukommen sah […]. Mir scheint ein wahrer Kern in den Stimmen kulturpessimistischer Literatur enthalten. Nicht die Welt geht unter, wohl aber eine Welt, die Welt des Gutenberg-Zeitalters.
Ein solcher Untergang ist nicht gleichbedeutend mit dem „Ende der Buchkultur“, wie viele meinen; er ist zugleich tiefgreifender und weniger tief greifend, als er vorgestellt wird. Die Gutenberg-Galaxis war die uns ans Herz gewachsene Welt der Vermittlung des Wissens durch den Druck […], sie hat den Wert und die Würde des Einzelnen entdeckt und entfaltet und die naturwissenschaftlich fundierte Technik geschaffen. Insgesamt war es eine Welt, die […] ihren Höhepunkt in der auf Sprache, Buchstabenschrift, Druck und Lektüre hin orientierten Welt des gebildeten Bürgertums gefunden hat. Die meditative Privatlektüre war, nach Jürgen Habermas2, der Königswege der bürgerlichen Individuation3. Deren Zeit scheint abgelaufen.
Es gibt viele Belege für diese These, und die verbreitete Skepsis der Hochliteratur gegenüber den elektronischen Medien ist nur eine davon. Mit der Umlenkung der Kulturtechniken vom Buchdruck auf den Bildschirm, von der Bibliothek auf das elektronische Netz, vom begrenzten, daher in wissenschaftlichen Organen streng rezensierten Platz in den Printmedien zur scheinbaren Unendlichkeit des Informationsnetzes ändern sich vermutlich nicht nur Lektüregewohnheiten, Informationsgrenzen, Aufnahmefähigkeiten und Kommunikation, sondern auch die sozialen Beziehungen der Menschen. […]
Es genügt wohl nicht, sich auf die technische Beherrschung einer Multimedia-Apparatur gigantischen Ausmaßes vorzubereiten, die Kommunikationsinstrumente technisch so zu verbessern, dass sie wie ein Taschenbuch handhabbar sind, wenn nicht zugleich nach den Inhalten all der Informationswellen gefragt wird, die uns zu überspülen drohen. Vor allem sollen wir nach den Menschen fragen, die darüber entscheiden, welche Information digitalisiert wird und welche nicht; ob uns in der Flut der Netzinformationen noch Zeit zur Erinnerung und Gedächtnis genug bleibt, uns an anderes zu erinnern als an die perfekte Beherrschung des Netzes und seiner Chancen. Denn wie immer wir uns die neue Welt auch vorzustellen suchen, es wird eine zerebrale4 Welt sein, eine vom Gehirn dominierte Welt, die versuchen wird, die Unterschiede auf der Erde zu tilgen, die Einheit vollkommen zu machen. Wir könnten darüber einen Kulturverlust erleiden, weil Kultur Verschiedenheit bedeutet […].
Die Frage nach den Inhalten aber, nach den Bedeutung von Sprache, nach der Relevanz von Information könnte die Perspektive auf die Informationsgesellschaft so verschieben, dass sie zu einer Wissensgesellschaft wird, in welcher der Mensch noch genügend von sich selbst weiß, um zu erkennen, dass der Wind auf der Haut, der Duft frischer Erde für das Leben ebenso wichtig (oder gar wichtiger) sind wie der Internet-anschluss und die Möglichkeit, jetzt bei einem Telefreund in Australien und im nächsten Augenblick wieder ganz bei sich selbst zu sein.
(Aus: W. Frühwald: Vor uns: Die elektronische Sintflut. Wie Sprache und Schrift ihre dominierende Kraft an die perfekte Beherrschung der technischen Medien verlieren, Stuttgart 1995)
Anmerkungen:
1 H. M. Enzensberger: Schriftsteller und Publizist, geb. 1929
2 J. Habermas: Philosoph und Soziologe, geb. 1929
3 Individuation: Herausbildung der Persönlichkeit des Einzelnen
4 zerebral: vom Gehirn (lat. cerebrum) bestimmt
2. Aufgabe:
Erstellen Sie mithilfe von Kapitel 4 eine Stoffsammlung zu dem Thema „Einflüsse des Internets auf die Literatur und die Literaturrezeption“.
Berücksichtigen Sie dazu die folgenden Aspekte:
a) die Produktion und Rezeption von Literatur unter dem Einfluss des Internets;[. . .]
b) die Auswirkung der im Internet verfügbaren Literatur auf den Leseprozess;[. . .]
c) die positiven und kritischen Beurteilungen des Einflusses des Internets auf die Literatur.[. . .]
3. Aufgabe:
Dominique Pleimling: Social Reading – Lesen im digitalen Zeitalter, 2012 (Auszug)
Aufgaben:
Lesen Sie den folgenden Text aufmerksam durch und bearbeiten Sie diese Aufgaben:
a) Formulieren Sie das zentrale Thema des Textes in einem Satz; klären Sie in Stichworten, was der Text unter „Social Reading“ versteht.
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b) Sammeln Sie Argumente für eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Internet ein Ende der Lesekultur mit sich bringt; Argumente finden Sie in den Texten dieses Studienhefts.
[. . .]
c) Formulieren Sie abschließend in einigen Sätzen Ihre eigene Position/Einschätzung zur Frage Medienwandel und Lesekultur.
[. . .]
[…] Angesichts der zunehmenden Digitalisierung unseres Lebens stellt sich allerdings eine viel globalere Frage: Ist die Zeit des Lesens vorbei, wie etwa Nicholas Carr mutmaßt? Sie wäre dann ein äußerst kurzes Intermezzo in der Geschichte der Menschheit gewesen – von der „Leserevolution“ im ausgehenden 18. Jahrhundert, die das individuelle, leise Lesen unterschiedlichster Texte einläutete, bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts – und uns stünde die Wiederkehr der Vergangenheit bevor, in der nur eine ausgewählte Minderheit diese Kulturtechnik beherrschte. Die Hochphase der Literatur, der Belletristik, wäre dann – Leser und Autoren stehen schließlich in einer Wechselbeziehung – ebenfalls vorbei: „Bücher und Bücherlesen (steuern) auf ihren kulturellen Lebensabend zu“.1 Auch die These des Hirnforschers Manfred Spitzer gehen in eine ähnliche Richtung und warnen vor der drohenden „digitalen Demenz“.2
Interessanterweise legt gerade der Erfolg von social reading eine optimistische Zukunftsperspektive für das Lesen nahe: Schließlich müssen die Bücher, über die gerade in Chats, Foren, Sozialen Netzwerken oder Plattformen gesprochen wird, auch irgendwann gelesen worden sein (Bücher übrigens, die – wie ein Blick auf die Bestsellerliste verrät – nicht unbedingt immer dünner werden). Im Zeitalter der Digitalisierung wird Lesen wieder sozialer und nähert sich damit der Situation vor der Leserevolution nur insofern an, als dass Texte wieder zunehmend gemeinschaftlich rezipiert werden – damals durch das Vorlesen in Gruppen, heute durch „Bücher mit Internetanschluss“. Social reading greift also in die Vergangenheit zurück und verbindet sie mit dem noch recht jungen Phänomen des stillen Lesens. Statt eines Kulturpessimismus – der in ähnlicher Form übrigens auch jene oben erwähnte Leserevolution begleitete und vor den negativen Auswirkungen massenhafter Lektüre warnte – wäre ein offener Umgang mit den neuen Möglichkeiten, aber auch den Herausforderungen für die Kulturtechnik des Lesens gewinnbringender und im Sinne einer wachsenden Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien förderlicher.
Gerade die oben erwähnte gelungene Verbindung von Offline und Online bringt die Potenziale von social reading auf den Punkt. Die individuelle, stille Lektüre von Büchern verbindet sich mit den reichen Interaktionsmöglichkeiten des Internets und schafft so kommunikative Räume für den Text. Diese wirken wiederum zurück auf den Leser, den Autor und vielleicht auch auf die Gespräche in book clubs und Lesekreisen.
(Quelle: D. Pleimling: Social Reading – Lesen im digitalen Zeitalter, 2.10.2012; http://www.bpb.de/apuz/145378/social-reading-lesen-im digitalen-zeitalter?p=all )