1. In der Figur des Lars stellt Siegfried Lenz uns eine umstrittene Person vor.
a) Wird Lars vorwiegend direkt oder indirekt charakterisiert?
Listen Sie in einer Tabelle die verschiedenen Möglichkeiten der direkten und
indirekten Charakterisierung auf und ordnen Sie – wenn möglich – den einzelnen
Kriterien jeweils ein Textzitat über Lars zu.
Entscheiden Sie zum Schluss, welche Art der Charakterisierung in Lenz‘
Roman überwiegt.
b) Charakterisieren Sie Lars.
Die Charakterisierung sollte in einem zusammenhängenden Text (Einleitung –
Hauptteil – Schluss) erfolgen.
2. Erörtern Sie, ob sich Jugendliche unseres 21. Jahrhunderts mit den Jugendlichen
im Roman noch identifizieren können (sich identifizieren = sich wiedererkennen).
Stellen Sie in einem zusammenhängenden Text die Pro- und die Contra-Argumente
dar und fällen Sie ein Urteil. Begründen Sie Ihre Aussagen.
(Anmerkung: „Pro“ bedeutet: „Ja, die heutigen Jugendlichen können sich noch mit
denen im Roman identifizieren; „Contra“ bedeutet: „Nein, eine Identifikation ist
nicht möglich“)
3. Im Folgenden finden Sie einen Ausschnitt aus dem Roman „Gott schützt die Liebenden“
von Johannes Mario Simmel, in dem eine Abschiedsszene dargestellt wird.
Analysieren Sie den Text nach den folgenden Kriterien und belegen Sie Ihre Aussagen.
Erzählstruktur
Erzählperspektive
Art der Charakterisierung
stilistische Mittel
Satzkonstruktionen
Stilschichten
© Fernstudienzentrum Hamburg
Noch eine Viertelstunde, dachte ich. Dann wollte ich aufstehen. Nein, das war
zu viel. Zehn Minuten. Nun wurde der Motorenlärm ganz leise, zärtlich, wie
verliebtes Gemurmel, und dann hörte ich nichts mehr. Die Stille kam wieder.
Doch sie kam nicht, um zu bleiben. Eine neue Maschine flog schon Berlin an
– irgendwo über den Wolken noch, im ersten rosigen Frühlicht dieses Wintertages,
kam näher, bereit, über uns hinwegzutoben, die Luft erzittern zu lassen,
übermächtig, gebieterisch und doch so schwankend und unsicher, so balancierend
zwischen Tod und Leben wie die Menschen in ihr und unter ihr.
„Paul?“
„Ja, mein Liebling.“
Sie drehte sich zur Seite und legte ihren weichen, warmen Mund auf meine
Brust. Sie war kleiner als ich und sehr zart, sie hatte lange Beine und
schmale Hüften.
Sibylle presste ihren Jungenkörper gegen den meinen. Ich fühlte mich wie
ausgehöhlt von einer unendlichen Traurigkeit, deren ich nicht Herr werden
konnte.
„Wir müssen aufstehen, nicht wahr?“, flüsterte sie. Es war niemand in ihrer
Wohnung außer uns; aber sie flüsterte, als dürfe niemand uns hören, als hätte
sie Geheimnisse mit mir vor ihren Büchern, ihren Bildern, ihrem schmalen
Bett.
Ich räusperte mich krampfhaft.
„Mein Armer“, flüsterte sie. „Das tust du immer. Immer, wenn du von mir fort
musst, beginnst du dich zu räuspern.“
„Mir ist elend“, sagte ich.
„Sprich nicht so!“ Ihre Hände streichelten mich, aber sie waren kalt und blutleer.
Die meinen waren feucht vor Aufregung und Schwäche. „Was soll denn
ich sagen?“, flüsterte sie in meine Achselhöhle. „Du fliegst wenigstens noch
fort – aber ich komme zurück in meine Wohnung, hierher in dieses Bett, das
noch nach dir riecht, in dieses Zimmer, in dem mich alles an dich erinnert.
Weißt du, dass ich schon einmal dein Kissen verprügelt habe, weil es nicht
aufhörte, nach deinem Haar zu riechen?“
Ich erwiderte, während ich gespannt auf das Nahen einer neuen Maschine
lauschte: „Ich liebe dich, Sibylle.“
„Und ich dich, mein Herz“, sagte sie.
„In zehn Tagen bin ich wieder bei dir.“
„Ja, Paul.“
„Dann werde ich lange bleiben.“
Jetzt brannte die Nachttischlampe, und ich konnte Sibylle sehen. Sie sah aus
wie eine schöne, leidenschaftliche Katze. Ihre Augen waren schräg geschnitten
und so schwarz wie ihr Haar, das sie kurz geschnitten trug. Die Nase war
aufgeworfen, man sah die Nasenlöcher, die oft nervös vibrierten.
„Wir werden sehr glücklich sein“, flüsterte sie. Meine Brust wurde nass, dort,
wo ihre Tränen sie trafen. „Ich werde auf dich warten, [...]“