1. a) Was bedeuten die Abkürzungen, was ist ihr Inhalt?
GG
BGB
StGB
b) Erklären Sie, was die folgenden alten Rechtssätze in der heutigen Praxis vor
Gericht bedeuten:
Keine Strafe ohne Gesetz (Nulla poena sine lege).
Auch die Gegenseite muss gehört werden (Audiatur et altera pars).
Im Zweifel für den Angeklagten (In dubio pro reo).
2. a) Gehören die folgenden Fälle zum Privatrecht oder zum Strafrecht?
Notieren Sie ein P (für Privatrecht) oder ein S (für Strafrecht) hinter die einzelnen
Fälle.
Otto und Klara haben eine Wohnung im oberen Stockwerk ihres Einfamilienhauses
an ein junges Paar vermietet. Doch nach kurzer Zeit stören sie die
rauschenden Feste, die die neuen Mieter bis spät in die Nacht mit Freunden
feiern. Sie kündigen den Mietern, aber die wollen nicht ausziehen. Otto und
Klara strengen eine Räumungsklage an.
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Simonetta stellt beim Eintreffen in ihrem Ferienort in der Türkei fest, dass
das meiste von dem, was im Reiseprospekt versprochen worden war, nicht
zutrifft. Sie hält das für Betrug und will vom Reiseveranstalter Schadenersatz.
Marcel (22) steigt nach einem nächtlichen Kneipenbummel mit Freunden in
einen Linienbus der Hamburger Verkehrsbetriebe, für die er eine Monatskarte
besitzt. Als der Busfahrer seinen Fahrschein sehen will, boxt er ihm unter
dem Gejohle der Gruppe wortlos ins Gesicht und sucht sich einen Sitzplatz.
b) Welches Gericht ist zuständig?
Rüdiger hält den Steuerbescheid für zu hoch, den ihm das Finanzamt zugeschickt
hat. Als das Finanzamt trotz seines Einspruchs den Steuerbescheid
nicht abändert, will er vor Gericht ziehen.
Zuständig ist das ______________________________.
Barbara hält ihre fristlose Kündigung für völlig unbegründet. Sie will ihren
Arbeitgeber zwingen, die Kündigung zurückzunehmen.
Zuständig ist das ______________________________.
Corinnas Eltern halten es für reine Schikane der Lehrer, dass ihre Tochter
nicht in Klasse 11 versetzt wurde. Nachdem die Schulbehörde ihren Einspruch
zurückgewiesen hat, wollen sie klagen.
Zuständig ist das ______________________________.
3. Woran ist zu erkennen, dass unser Staat ein Rechtsstaat ist?
Nennen Sie mindestens drei Tatsachen (bitte in vollständigen Sätzen).
4. Wählen Sie von den folgenden drei Texten zwei aus und bearbeiten Sie sie unter
folgender Fragestellung:
1. Zu welchem Problem nimmt der Verfasser Stellung?
2. Welche Meinung vertritt er?
3. Wie beurteilen Sie seine Argumente, und wie schätzen Sie selbst den Gesamtkomplex
ein?
Text A
Die politische und wissenschaftliche Diskussion beschäftigt sich schon seit längerem
mit der Frage, ob nicht die Entwicklung des Rechts in der Bundesrepublik
einen Weg eingeschlagen habe, an dessen Ende der Rechtsstaat an sich selbst
ersticken könne. Die Rechtsordnung wird zum einen durch die fortschreitende Vermehrung
und dauernde Veränderung ihrer Vorschriften bestimmt; zum anderen ist
sie durch die immer mehr ins Einzelne gehende rechtliche Normierung von immer
mehr Lebensbereichen gekennzeichnet.
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Diese Entwicklung wird sich vielleicht bremsen, aber kaum aufhalten lassen. Denn
der Ablauf der Staatstätigkeit in rechtsstaatlichen Formen (Gesetzmäßigkeit der
Verwaltung) fordert rechtliche Regeln, die mit der fortschreitenden Komplizierung
der Lebensverhältnisse und der schnellen Entwicklung von Wissenschaft und Technik
Schritt halten. Nicht zuletzt verlangen die staatlichen Aufgaben in der Gesellschafts-
und Wirtschaftspolitik ein dichtes System rechtlicher Regelungen, vor
allem unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und der sozialen Gerechtigkeit.
Unvermeidlich hat die rechtliche Entwicklung des Sozialstaats, die auf
schnelle gesellschaftliche Veränderungen reagieren muss, die im Prinzip des
Rechtsstaats angelegte Forderung nach der Allgemeinheit und Dauerhaftigkeit der
Gesetze beeinträchtigt.
Noch wichtiger aber ist, dass die Masse rechtlicher Regeln für den einzelnen Bürger
weder einsichtig noch überschaubar ist. Nicht zuletzt das Sozial- und Steuerrecht,
von dem die Mehrheit der Bürger betroffen ist, ist kaum noch
durchschaubar. Es wird vielfach befürchtet, dass rechtliche Regeln auch im
Bewusstsein der Bürger zu einem Artikel der Wegwerfgesellschaft werden.
(Wolfgang Horn: Rechts- und Sozialstaatlichkeit, in: Bundeszentrale f. pol. Bildung (Hrsg.):
Grundlagen unserer Demokratie. Schriftenreihe Bd. 270, Bonn 1988, S. 167).
Text B
Die Zugehörigkeit von Richtern zu politischen Parteien und erst recht ihre aktive
parteipolitische Betätigung kann zum Verlust der erforderlichen richterlichen Distanz
führen.
Dabei geht es nicht nur um mögliche Versuche einer Partei, auf bestimmte
Gerichtsverfahren Einfluss zu nehmen. Es geht weniger darum, dass der Richter
etwa einem (verfahrensbeteiligten) Parteifreund helfen oder einem (beteiligten) parteipolitischen
Gegner schaden will.
Größer erscheint die Gefahr, die daraus resultiert, dass der Richter sich bei seinen
Entscheidungen darüber klar ist, dass ein bestimmtes Urteil wegen der darin zum
Ausdruck kommenden Tendenz innerhalb der Partei Anerkennung finden und die
Fortkommenschancen des dafür verantwortlichen Richters verbessern wird. „Ein
Richter, der sich vergegenwärtigen muss, dass seine rechtsprechende Tätigkeit
unter der Perspektive einer politischen Gruppe betrachtet und für Beförderung
gewürdigt wird, ist in der Ausübung seines Richteramtes innerlich nicht mehr
frei.“
Hans Herbert von Arnim, Prof. für öffentliches Recht: Staat ohne Diener. Knaur-Taschenbuch
Nr. 80062 (1995). S. 176 f. (Das Zitat stammt aus einem rechtswissenschaftlichen Aufsatz.)
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Text C
Recht ist Wille zur Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit aber heißt: Ohne Ansehen
der Person richten, an gleichem Maße
alle messen. [...]
Wenn Gesetze den Willen zur Gerechtigkeit
bewusst verleugnen, zum Beispiel
Menschenrechte Menschen nach
Willkür gewähren und versagen, dann
fehlt diesen Gesetzen die Geltung, dann
schuldet das Volk ihnen keinen Gehorsam,
dann müssen auch die Juristen
den Mut finden, ihnen den Rechtscharakter
abzusprechen. [...]
Es kann Gesetze mit einem solchen
Maß von Ungerechtigkeit und Gemeinschädlichkeit
geben, dass ihnen die Geltung,
ja der Rechtscharakter abgesprochen
werden muss.
Es gibt Rechtsgrundsätze, die stärker
sind als jede rechtliche Satzung, sodass
ein Gesetz, das ihnen widerspricht, der
Geltung bar ist. Man nennt diese
Grundsätze das Naturrecht oder das
Vernunftrecht. Gewiss sind sie im einzelnen
von manchem Zweifel umgeben,
aber die Arbeit der Jahrhunderte hat
doch einen festen Bestand herausgearbeitet
und in den so genannten Erklärungen
der Menschen- und Bürgerrechte
mit so weit reichender Übereinstimmung
gesammelt, dass in Hinsicht
auf manche von ihnen nur noch
gewollte Skepsis den Zweifel aufrechterhalten
kann.
Gustav Radbruch, Rechtsprofessor, 1921/22 und 1923 Reichsjustizminister, nach dem Zusammenbruch
der NS-Diktatur; zitiert nach: Informationen zur politischen Bildung Nr. 248, S. 19